Worauf es bei der Eingewöhnung eines Pferdes beim Stallwechsel ankommt

Pferd Eingewöhnung Stallwechsel

So leicht es uns fällt, den Stall zu wechseln, so schwer fällt es dem Pferd.

Die Eingewöhnung an eine neue Umgebung nach einem Stallwechsel kann für manche Pferde rasch ablaufen, die meisten Pferde haben damit aber mehr oder weniger größere Probleme.

Pferde sind Gewohnheitstiere – täglich gleiche Abläufe geben Sicherheit, Situationssicherheit. Da Pferde in der Natur Beutetiere sind, das heißt von Raubtieren gefressen werden können, sind sie auf ein Maximum an Sicherheit gebunden, um ihr Überleben zu sichern.

Diese einfachen Strukturen in der Natur muss ein Mensch immer im Hinterkopf behalten, sobald er mit dem Lebewesen Pferd zu tun hat. Egal in welchen Situationen – es hilft ungemein, sich der Natur des Pferdes (ein Herden-, Flucht- und Beutetier) immer wieder bewusst zu werden. Dies hilft, schwerwiegende Missverständnisse in der Kommunikation zu verhindern.

Das Gewohnheitstier Pferd in einer neuen Umgebung

In jeder neuen Umgebung oder Situation in freier Wildbahn muss der Pferd in Sekundenschnelle abchecken, ob Gefahren lauern: Könnte sich hinter dem Busch ein Raubtier verstecken? Ist das Wasserloch da vorne frei von Krokodilen? Ist es seicht genug, um darin zu stehen oder ist der Untergrund gefährlich und Fohlen könnten steckenbleiben? Ist die Rundumsicht gewahrt, sodass herannahende Raubtiere früh genug erkannt werden können? Und so weiter …
Pferde in freier Wildbahn können ihr Überleben nur sichern, indem sie ständig ihre Umgebung scannen. Das Übersehen eines kleinen Signals (das Rascheln in einem Busch) kann verheerend sein: Der Tiger wird zu spät erkannt und kann sich im nächsten Moment das wehrlose Fohlen schnappen.
 
Auch wenn wir Menschen Pferde über Tausende von Jahren domestiziert haben, seine Instinkte aus ihm herauszuzüchten ist bislang (noch) nicht gelungen. Wir Menschen müssen lernen, mit dem Urinstinkt der Pferde nach Sicherheit umzugehen. Der Instinkt nach der Gewährleistung von Sicherheit steht in der Bedürfnispyramide von Pferden sogar an höchster Stelle – noch vor Futter und Wasser!
Sicherheit bietet auch die Herde: Eine intakte Herdenstruktur mit einem Leithengst und einer Leitstute gibt genauso Sicherheit für die niederrangigen Herdenmitglieder – an ihnen können sie sich orientieren, die anderen Herdenmitglieder bilden im Falle der Flucht vor einer Gefahr einen Schutzschild. Erst wenn ein Pferd vom Raubtier von der Herde separiert werden kann, ist es mehr oder weniger dem Tod geweiht. In der Herde ist jedes Pferd deutlich sicherer.
Wissenschaftlich geprüfte Informationen sowie sogar einen Online-Kurs zum Thema Herdenverbände, ihre Strukturen und Instinkte von Pferden bietet der bekannte Tierfilmer Marc Lubetzki an: https://marc-lubetzki.de/Masterclass
 
Diese Aspekte – Gewohnheitstier, Fluchttier und Herdentier – können unsere Pferde vor allem beim Verlassen von gewohnter Umgebung ganz schön stressen. Die Aufgabe von uns Menschen ist es, den Stress des Pferdes zu lindern, wenn es die gewohnte Umgebung (den Stall, den Reitplatz etc.) verlassen muss und in eine neue Umgebung kommt. Dabei fehlt dem Pferd die Absicherung durch gewohnte Herdenmitglieder und die sichere Umgebung, die bereits auf mögliche Gefahrenquelle gescannt wurde.
Die neue Umgebung muss also nun nach neuen Gefahren und möglichen neuen Herdenmitgliedern, die Schutz suchen, geprüft werden.

Hier kann der Mensch eingreifen und dem Pferd die Umgebungsänderung, wie es zum Beispiel bei einem Stallwechsel der Fall ist, erleichtern.

Aus meiner Sicht sind bei einem Stallwechsel eines Pferdes für eine frustrationsfreie Eingewöhnung (auf beiden Seiten!) folgende Phasen wichtig:

  • Phase 1: Vorbereitungsphase: Die Zeit vor dem Stallwechsel
  • Phase 2: Akutphase: Ein Tag vor dem Stallwechsel und der Stallwechsel selbst
  • Phase 3: Eingewöhnungsphase: Die Zeit nach dem Stallwechsel

In den jeweiligen Phasen kann der Mensch regulierend, vorbereitend, deeskalierend und richtungsweisend vorgehen, sodass das Pferd sich optimal in den neuen Stall und die neue Herde integrieren kann. Je umsichtiger, geduldiger, wohlwollender und verständnisvoller ein Mensch in diesen drei Phasen reagiert, umso entspannter verläuft die Eingewöhnung eines Pferdes bei einem Stallwechsel.

 

Pferd Eingewöhnung Herde
Bis ein neues Herdenmitglied so zufrieden und entspannt neben den anderen Pferden liegen kann, kann es Monate dauern.

Phase 1: Die Vorbereitungsphase
Die Zeit vor dem Stallwechsel

Aus meiner Sicht ist die Zeit vor dem Stallwechsel – egal ob aufgrund einer Teilnahme an einem mehrtägigen Lehrgang oder Turnier, einem Wanderausritt oder einem tatsächlichen Stallwechsel – die wichtigste.

Bereite ich das Pferd intensiv und umfangreich bereits auf den Umzug vor, erspare ich mir später viel Mühsal, wie ein unnötig gestresstes und damit krankheitsanfälliges Pferd sowie viele graue Haare und Nerven 😉

Wie kannst du nun aber dein Pferd optimal auf den Stallwechsel und die Eingewöhnung vor Ort vorbereiten?

1. Vorbereitendes Hängertraining

Meiner jahrelangen Erfahrung nach entsteht der größte Stress bei einem Stallwechsel bereits bei der Hängerfahrt in den neuen Stall. Kennt ein Pferd das Hängerfahren nur wenig oder gar nicht, ist natürlich schon allein das Verladenwerden und die Fahrt in eine neue Umgebung Stress pur. Wird das Pferd im schlimmsten Fall immer nur dann verladen, wenn es in eine neue fremde Umgebung kommt, sollte wohl völlig klar sein, dass das Pferd nur ungern einsteigt! Diesem Stress kann man ganz einfach vorbeugen: Verlade- und Hängertraining. Das heißt, steht ein Stallwechsel früh genug bereits fest, kümmere dich rechtzeitig erstens um ein entsprechendes Zugfahrzeug samt Fahrer mit den entsprechenden Fahrberechtigungen (E zu B oder C bzw. CE) und um einen der Größe deines Pferdes entsprechenden Hänger. Ich persönlich bevorzuge immer Doppelhänger, auch wenn ich meist immer nur ein Pferd verlade. Mein Pferd in einem schmalen Einpferdehänger umgekippt auf der Seite liegen zu sehen, war bei mir kein schlechter Alptraum!

Bist du dir bezüglich Hängertraining selbst noch sehr unsicher, dann hol dir lieber einen guten Trainer an deiner Seite, der deinem Pferd die Angst vor dem Hänger mit Geduld und genügend Sachverstand nehmen kann.

Erst kurz vor knapp Hängertraining zu machen oder gar erst zum Tag des Stallwechsels ein Pferd ohne Hängererfahrung zu verladen, kann nur in einem Desaster enden, weil man vom alten Stall weg MUSS. Das erzeugt unnötig Druck, der zu 100 Prozent vom Pferd übernommen wird und zurecht dann das Einsteigen in den Hänger verweigert!

2. Gewöhnung an unbekannte Reize

Die Gewöhnung eines Pferdes an für es unbekannte und fremde Reize sollte eigentlich in der soliden Grundausbildung eines Pferdes selbstverständlich sein. In Bezug auf die Vorbereitung eines Stallwechsels kann man aber gezielt Elemente in die Bodenarbeit und das Vertrauenstraining einfließen lassen, die da wären:

  • Bei Ausritten immer wieder mal unbekannte Wege entlang reiten – schon allein das Betreten eines Weges aus der anderen Richtung kann für viele Pferde bereits Alarmglocken läuten lassen …
  • Auf fremden Reitplätzen (z. B. in der Nachbarschaft oder im Zuge von Lehrgängen oder Turnieren) reiten.
  • Zu fremden Ställen in der Nähe spazieren, das Pferd dort in der Umgebung ein wenig umschauen lassen und vielleicht sogar grasen lassen. So verbindet es ungewohnte Umgebungen mit etwas Angenehmem.
  • Zuhause immer mal wieder vorsichtig von typischen Routinen und Mustern abweichen: Das Pferd bewusst mal an anderen Putzplätzen anbinden und satteln, mal für eine Nacht in einen andere Box stellen etc.

3. Vorbereitende Fütterung

Pferde, von denen man weiß, dass sie zu heftigen Stressreaktionen neigen, wie z.B. hoch im Blut stehende Pferde oder durch traumatische Erfahrungen geprägte, profitieren enorm von einer gezielten Fütterung von Kräutern und Zusätzen, die nachweislich einen entspannenden Effekt haben.
Hier seien nur als Anregung ein paar Heilkräuter genannt. Mit bewährten Kräutermischungen aus guten Versandhäusern macht man nie einen Fehler. Ganz sicher geht man aber immer, wenn man den Tierarzt oder einen Naturheilpraktiker nach Empfehlungen fragt, bevor man auf gut Glück Heilkräuter und Zusätze füttert.
Ich habe sehr gute Erfahrungen mit folgenden Heilkräutern und Zusätzen bei zu Stress neigenden Pferde gemacht. Optimal beginnst du mit der Fütterung bereits 3 bis 4 Wochen vor dem geplanten Umzug:
  • Magnesium von Dr. Weyrauch: Magnesiummangel bei Pferden führt nachweislich zu Unruhe- und Angstzuständen. Vor allem Pferde, die viel geritten und trainiert werden, sollten regelmäßig auf ihren Magnesiumspiegel (Blutbild!) geprüft werden. Verspannungen und Muskelverhärtungen können Folgen von Magnesiummangel sein.
  • „Stresskräuter“ oder „Entspannungskräuter“ von z.B. pernaturam, Makana oder Krauterie. Hier werden vor allem Heilkräuter wie Baldrian, Hopfen, Melisse sowie Kamille verwendet.
  • In Absprache mit einem guten Homöopathen oder Tierheilpraktiker können auch auf das Pferd abgestimmte Globuli oder Schüsslersalze helfen.
  • Futterzusätze für stressgeplagte Pferde, die dopingfrei sind, gibt es auch bei deinem Tierarzt nach Wahl.

4. Vermehrter Fokus auf Beziehungsarbeit

Ein Stallwechsel kann auch als Chance gesehen werden: Durch den Umgebungswechsel und den damit verbundenen Stress sowie den möglichen Verlust von pferdigen Kumpels sucht das Pferd vermehrt die Nähe zum einzig gleichbleibenden Bezugspartner: Das bist du! Nutze diese Chance bewusst, um bereits im Vorfeld deinem Pferd dich als Sicherheitsanker und Ruhepol anzubieten:

Vertrauensfördernde Bodenarbeitsübungen wie Gehen über Planen oder über Brücken hinweg (auch perfekt als vorbereitende Übungen fürs Hängertraining!) fördern das Vertrauen zwischen dir und deinem Pferd. Körperarbeit wie zum Beispiel aus der Tellington-TTouch-Methode, fördern Wohlbefinden und Stressresistenz deines Pferdes und bringen es in einen wohligen Allgemeinzustand, in dem es sich sicher fühlt. Außerdem findest du über Körperarbeit oder intensive Putzsessions heraus, was dein Pferd sehr gerne mag (z.B. Kraulen am Widerrist oder Ausstreichen der Ohren). Dieses Wissen kannst du dann in der stressigen Situation kurz vor dem Stallwechsel oder während der ersten paar Tage im neuen Stall direkt anwenden. Dein Pferd wird sich an diese wohligen Behandlungen erinnern und schneller wieder in einen ruhigen Zustand kommen.

Phase 2: Die Akutphase

Ein Tag vor dem Stallwechsel

Einen oder zwei Tage vor dem Stallwechsel solltest du alles für Tag X vorbereiten.
  • Hängergespann ist vorbereitet (Fahrer, Gefährt etc.)
  • Umzugskartons sind gepackt: Alle sieben Sachen sind gepackt bzw. hast du schon vor Tag X übersiedelt. So ersparst du dir zusätzlich Stress und hast am Tag des Stallwechsels genügend Zeit, dich um dein Pferd zu kümmern.
  • Auf sich selbst achten: Tu dir selbst etwas Gutes und gönn dir was: Je ruhiger du an Tag X bist, desto mehr kann sich dein Pferd auf dich verlassen!
  • Dein Pferd körperlich auslasten: Boxenkoller am Tag des Stallwechsels ist ein absolutes No-go. Mach also mit deinem Pferd noch ein ergiebiges Training, einen langen Ausritt oder eine Ausdauereinheit an der Longe. Hauptsache, dein Pferd ist entspannt, weil es körperlich ausgelastet ist, und hat nicht noch zusätzlich am Tag des Stallwechsels Hummeln im Hintern!
  • Vermeide unnötige Änderungen kurz vor dem Stallwechsel: Also bitte nicht kurz vor dem Stallwechsel dein Pferd noch in eine neue Box mit neuem Boxennachbarn übersiedeln, anderes Futter füttern oder andere aufreibende, aufregende Sachen machen. Je entspannter dein Pferd in den nächsten Tag startet, desto besser!
 

Tag X: Der Stallwechsel

Und dann ist der da: Der Tag des langersehnten Stallwechsels!

Vorab: Es ist wichtig, dass auch du so viel Ruhe und Gelassenheit an den Tag legst, wie du sie dir von deinem Pferd für diesen spannenden Moment wünscht. Es hilft also weder dir noch deinem Pferd oder allen anderen Beteiligten, wenn du hysterisch in Schnappatmung herumrennst und all nervös machst.
Wenn du eher der nervöse Typ ist, versuche am Tag des Stallwechsels noch etwas zu tun, was dir guttut: Yoga, eine kleine Wanderung mit dem Hund, ein ausgiebiges Frühstück etc. Wichtig ist: Du solltest Ruhe ausstrahlen. Ansonsten riecht dein Pferd den Braten, bevor es überhaupt ans Verladen geht!
 
Am Tag des Stallwechsel selbst, lege ich dir ans Herz, alles so zu planen, dass das ganze Prozedere erst am Nachmittag stattfindet – vorausgesetzt es besteht die Möglichkeit dazu.
So hast du noch genügend Zeit dein Pferd vorher zu bewegen. Und damit meine ich nicht einen gemütlichen Spaziergang an der Hand rund um den alten Stall, sondern ruhig ein ausgiebiges Training.
Je müder und ausgelasteter dein Pferd ist, desto weniger musst du dich in dieser eh schon stressigen Situation noch mit einem vor Boxenkoller herumhüpfenden Pferd herumärgern. Ist das Pferd körperlich gut ausgelastet, wird es sich weniger rasch von einem etwas nervöser als sonst wirkenden Besitzer verunsichern lassen noch vor der bevorstehenden Hängerfahrt und der Ankunft im neuen Stall.
 
Optimalerweise kennt dein Pferd jetzt bereits das Verladen und geht brav in den Hänger. Eine ruhige Hängerfahrt ohne abrupte Brems- und Lenkmanöver setze ich jetzt mal voraus, damit dein Pferd nicht unnötig zusätzlich gestresst am Zielort ankommt.
Vor Ort steigst zuerst du aus, nicht dein Pferd 😉 Damit meine ich, dass es besser ist, wenn du dich vor Ort erkundigst, ob die für dich reservierte Box (oder die Notbox in einem Offenstall) bereits vorbereitet ist. Optimalerweise bekommt dein Pferd am Abend im neuen Stall noch eine riesige Portion Heu mit Sichtkontakt zu den neuen Kollegen, sodass es bis spät in die Nacht mit Fressen beschäftigt ist und nicht später aus Hunger unruhig wird.
 
Spätestens jetzt solltest du abgeklärt haben, wie alles im neuen Stall abläuft:
  • Wann wird gefüttert? Was wird gefüttert?
  • Wie wird die Eingliederung in die neue Herde vorgenommen?
  • Wie lange muss dein Pferd in der Eingliederungs-/Notbox bleiben, bevor es in den Offenstall kommt?
  • Kann dein Pferd bereits am nächsten Tag auf ein Paddock mit Kontakt zu anderen Pferden?
Stelle sicher, dass dein Pferd zumindest eine Woche lang das gewohnte Futter vom alten Stall bekommt, um nicht noch Magen- oder Darmprobleme heraufzubeschwören. Am besten fütterst du ihm nach den Strapazen der Fahrt und des Stallwechsels jetzt eine angemessene Portion Mash, um Magen und Darm zu beruhigen.
 
Füttere die Kräuterzusätze ruhig noch ein bis zwei Wochen nach dem Umzug weiter. Besonders in der Phase nach dem Stallwechsel ist noch lange Zeit alles für dein Pferd ungewohnt. Eine zusätzliche Unterstützung seines Nervenkostüms durch Kräuter oder andere Zusätze schadet in diesem Fall nicht.
 
Vermeide es, nach der Ankunft deinem Pferd – vermutlich aus deiner  Vorfreude heraus – gleich alles zeigen zu wollen. Dafür hast du noch genügend Zeit in den nächsten Tagen und Wochen. Am Tag des Umzugs ist für dein Pferd jetzt erstmal wichtig, sein neues Zuhause – vorerst mal nur seine Box, seinen neuen Stall und gegebenenfalls ein paar Kumpels – kennenzulernen. Alles andere ist jetzt mal zweitrangig.
Bitte beachte, dass ich hier die Eingewöhnung bei Stallwechsel für Pferde beschreibe, die selten auf fremden Terrain unterwegs sind wie z.B. Lehrgängen, Turnieren etc. Diese Pferde sind meist überaus gestresst und nervös bei allen Veränderungen. Routinierte Turnierpferde oder andere Pferde, die mehrmals im Jahr auf Ausflügen mit dem Hänger unterwegs sind, akklimatisieren sich vor Ort sehr schnell und sind rasch zufrieden, wenn es im neuen Stall eine weiche Einstreu, was zum Fressen und Trinken sowie pferdige Kollegen gibt … Nichtsdestotrotz profitieren auch solche Pferde von einer sorgfältigen Planung von Stallwechseln und einer möglichst sensibel gestalteten Eingewöhnungsphase.
 
Pferd Stallwechsel Lehrgang
Durch regelmäßiges Teilnehmen an Lehrgängen kann man das Pferd an den Umgang mit ungewohnten Situationen und Umgebungen gewöhnen.

3. Phase: Die Eingewöhnungsphase

Die ersten Tage und Wochen im neuen Zuhause sind für das Pferd anstrengend und sehr aufregend: Täglich gibt es Neues kennenzulernen und zu entdecken. Allein ein anderer Fütterungsablauf bedeutet schon Unruhe: Womöglich wird früher oder später gefüttert als im alten Stall, das Heu schmeckt anders, das Wasser auch. Es gibt Stroh- statt Späneeinstreu etc. Was für uns so banal klingt, sind für Pferde schwerwiegende Dinge, an die es sich zuerst wieder gewöhnen muss.

Nochmals: Je dicker das Band zwischen dir und deinem Pferd ist und je sicherer und souveräner du es in der Vergangenheit durch ungewohnte und fremde Situationen gelotst hast, desto einfacher und unkomplizierter wird der Stallwechsel (und sei es nur für einen mehrtägigen Lehrgang). Übung macht in allem den Meister! Je öfter du in der Vergangenheit mit deinem Pferd in fremden Umgebungen warst, desto souveräner werdet ihr gemeinsam die spannende und aufregende Zeit der Eingewöhnungsphase meistern.

Wichtig ist in der Zeit nach dem Stallwechsel vor allem eines: Geduld, Rücksichtnahme und Einfühlungsvermögen

Ja, ich weiß. Ich wiederhole mich!

Lass dir in den ersten Tagen und Wochen nach dem Stallwechsel Zeit. Zeig deinem Pferd nicht gleich alles an einem Tag, sondern gewöhne es langsam an seine neue Umgebung. Zeig ihm an einem Tag zuerst den Putzplatz, gönne ihm eine ausgiebige Putz- und Krauleinheit und dann lass es wieder zu seinen Kumpels. Das Training (außer es ist ein routiniertes Turnierpferd) würde ich in den ersten ein, zwei Wochen mal hintanstellen. Ist dein Pferd noch zu wenig gesettelt in der fremden Umgebung, wird sich euer Training sowieso zuerst mal nur wieder auf entspanntes Bodenarbeitstraining, ein wenig Longenarbeit oder Spaziergänge zum Erkunden der neuen Umgebung beschränken.

Hast du das Gefühl dein Pferd fühlt sich ein wenig wohler, kannst du ihm mal die neue Reithalle oder den Reitplatz zeigen. Sei aber auch da immer einfühlsam und geduldig: Jede Ecke ist jetzt potenziell wieder ein neuer Ort für Raubtiere. Werde nicht ungeduldig mit deinem Pferd, wenn es in der Eingewöhnungsphase, die mehrere Monate, sogar bis zu einem halben bis ein Jahr dauern kann, vor bereits bekannten Dingen erschrickt: Es muss zuerst sondieren, ob Gefahr droht, deshalb ist dein Pferd in der ersten Zeit lieber übervorsichtig anstatt sich unnötig der Gefahr eines Raubtierangriffs aus der neuen, unbekannten Ecke der Stalleinfahrt auszuliefern (und das ist in jeder fremden Umgebung aus der Sicht eines Pferdes möglich!).

Wie lange dauert es, bis sich ein Pferd in einem neuen Stall eingewöhnt hat?

Diese Frage erreicht mich immer wieder.
Leider haben nur wenige Menschen ein Gefühl dafür, was es aus Sicht eines Pferdes bedeutet, aus einer intakten Herde (und sei es nur aus der intakten Konstellation zweier freundlicher Boxennachbarn und Paddockkumpels) gerissen zu werden.
 
Der Verlust der Herde (und für viele Pferde bedeutet „Herde“ leider nur das Vorhandensein von 1 oder 2 Boxennachbarn) kommt dem Pferd einer Todesszenerie näher: Ohne den sicheren Herdenverband ist es in der freien Natur Raubtieren ungeschützt ausgeliefert. Es ist auf sich allein gestellt und kann sich im Notfall nur selbst mit allen 4 Hufen gegen Raubtiere schützen. Es sind keine weiteren Augenpaare da, die die Umgebung nach Fressfeinden abscannen.
Ganz wichtig: Ein Pferd weiß nicht, dass es im neuen Stall auch eine neue Herde geben wird.  Es kann nicht in die Zukunft sehen. Es lebt im Hier und Jetzt und weiß aktuell nur eines: Es wird von seiner Herde getrennt! Und das bedeutet Angst, Stress – manchmal sogar Todesangst.
Das erklärt wohl auch, warum viele Pferde, die nicht mit genügend Verständnis an das Verladen und Verlassen des Stalles bei Ausritten herangeführt wurden, derart panisch werden und hysterisch wiehern oder sich losreißen und zurück zum Stall rennen.
 
Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen: Die Eingewöhnungsphase nach einem Stallwechsel kann je nach Temperament und Charakter eines Pferdes mehrere Monate, wenn nicht sogar ein ganzes Jahr dauern!
 
Mein Sensibelchen Cento hat lange Zeit nach seinem Umzug in unseren eigenen Stall mit Unsicherheit und teils panisch reagiert. Bereits das Anbinden an einem anderen Putzplatz brachte ihn aus dem Konzept, das Weggehen von der Herde war ein heilloses Losreißen und Zurückrennen und wenn seine Iman wegwar, wurde er sowieso kopflos.
Mit viel Geduld und Rücksichtnahme kann ich jetzt nach 1,5 Jahren sagen, dass er endlich angekommen ist und er sich pudelwohl fühlt.
 
Auch Indira, die bereits als junges Pferd zum Anreiten und später zum Beritt und für Turniere viel rumgekommen ist, hat sich in unserem Stall besonders schwer mit der Eingewöhnung getan: Sie kam von Boxenhaltung mit Weide in einen Offenstall mit Herde. Lange Zeit konnte sie sich nicht hinlegen und schlafen, was zusätzlich Stress bedeutete. Erst jetzt nach einem Dreivierteljahr haben wir das Gefühl, dass sie vollkommen in der Herde integriert ist, ruhig schläft und ihren Platz in der Herde und bei uns im Stall gefunden hat.
 
Gib deinem Pferd die Chance, in aller Ruhe die neue Umgebung, neue Menschen und Situationen kennenzulernen. Als Gewohnheitstiere steht für Pferde Sicherheit an oberster Stelle: Misstrauisch wie sie als Fluchttiere nun mal sind, kann es schon seine Zeit dauern, bis es sich vollkommen an neue Situationen und Umgebungen gewöhnt hat.
 
Das Wichtigste ist in der Eingewöhnungsphase, dass du als Bezugsperson deinem Pferd Stabilität, Vertrauen und „Anlehnung“ bietest. So ein Stallwechsel kann Potenzial für etwas Neues und Tolles in eurer Beziehung bedeuten.
Nur weil dein Pferd in den ersten Monaten komische Dinge macht, dir „komisch“ vorkommt, bedeutet das nicht, dass eure Beziehung kaputtgegangen ist. Sie ist durch den Stallwechsel aktuell nur auf dem Prüfstand – und das lässt sich mit viel Geduld, Rücksichtnahme und Einfühlungsvermögen gekonnt und leicht meistern!
 

Wie hast du deinem Pferd einen Stallwechsel erleichtert?

Kommentiere diesen Beitrag und teile mit uns deine Tipps für einen stressfreien Stallwechsel und eine ruhige Eingewöhnung! Ich bin gespannt zu hören, was euch geholfen hat! Hilf mit deinem Kommentar mit, dass noch viele andere Pferdebesitzer entspannte Stallwechsel erleben können!

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15 Comments

  • Natascha

    Hallo, ich habe meinen 15 jährigen Wallach nach 4 1/5 Jahren jetzt in einen anderen Stall gebracht da der alte für mich als Besitzer einfach nicht mehr tragbar war… nicht aus Geld Gründen sondern aus organisatorischen.
    Jetzt steht er seit 3 Tagen in seinem neuen Stall. Ich finde es super dort, er leider noch nicht so. Auf der Koppel ist er ruhig und bekommt in den nächsten Tagen auch wieder einen Freund dazu (derzeit stehen sie nebeneinander).
    Leider findet er seine Box gar nicht toll. Er ist nervös zieht immer wieder den Bauch hoch und läuft im Kreis. Er hat sichtlich Stress. Ich würde ihm diesen gerne nehmen. Habt ihr vielleicht noch Tipps wie ich ihm das Leben leichter machen kann?

    Liebe Grüße und schonmal danke 🙂

    27. Februar 2023 at 21:24 Reply
  • Alexandra

    Hallo.
    Ich muss leider am Samstag mit meiner 23jährigen Stute aus einem Offenstall ausziehen und wir ziehen in einen nahegelegenen Stall mit Box. Seit Tagen quälen mich schlaflose Nächte, weil ich mir vermutlich mehr Gedanken mache, als notwendig, aber ich möchte die Umgewöhnung halt so angenehm wie möglich für die Stute gestalten. Ich hoffe, sie nimmt es halbwegs gut auf und kann mir den Veränderungen umgehen. Keine Ahnung ob ich einen Fehler mache, aber es geht leider nicht anders… lg eine besorgte Pferdebesitzerin

    31. Mai 2022 at 22:55 Reply
    • Melanie

      Liebe Alexandra, den Stress kannst du deinem Pferd natürlich nicht nehmen, aber auf jeden Fall lindern. Umzug bedeutet immer Stress.
      Hast du schon mal „Notfall-Bachblütentropfen“ ausprobiert? Gibt es alkoholfrei für das Pferd, aber auch für den Menschen.
      Wenn die Anspannung zu groß wird, können die ein wenig Linderung (im Kopf für die Gedanken) schaffen.
      Ich wünsche dir ganz viel Kraft und Ausdauer und Ruhe für euer Unternehmen!
      Liebe Grüße
      Melanie

      1. Juni 2022 at 13:16 Reply
  • Sarah

    Hallo ihr lieben…ich habe mir eine 3j. Fuchsstute gekauft und diese am samstag abheholt und in einem neuen stall untergebracht…der stallbesitzer hat sie dann nach dem abladen auf den belegten paddock gebracht wo 8 andere stuten standen…und dann ging es los…sie wurde gejagt…
    Wir haben sie nach wenigen minuten eimfangen können
    ..sie wirkte allerdings sehr verängstigt und aufgeregt…ich hätte heulen können…
    Da wir natürlich noch kein vertrauen zueinander hatten ist die situation doppelt bescheiden gewesen…
    Ich war so enttäuscht…kann mir jemand einen rat geben
    ..ich weis dass es jetzg heißt…viel zeit geben und langsam heranführen
    ..lg sarah

    27. Februar 2022 at 14:56 Reply
  • Franziska Herzog

    Hallo in der Runde, schön dass ich mit meinem Problem, mit meiner 22 jährigen Stute, nicht alleine da stehe.
    Ich bin jetzt seit 3 Tagen in einem neuen großen Offenstall. Vorher standen wir auch in einem Offenstall nur kleiner. Meine Stute war IMMER die Ruhe selbst.
    In dem neuen Stall, sind bereits schon bekannte Pferde die meine Stute kennt. Diese waren vorher auch bei uns im kleinen Stall und sind letztes Jahr in dem großen Offenstall umgezogen. Ich habe den Umzug dieses Jahr nun auch durchgezogen, da die Gegebenheiten nicht mehr so gut waren. Nun klebt sie, seit dem Umzug, förmlich an ihren bekannten Pferden und wehe man holt sie nur mal zum putzen aus der Gruppe.
    Man hat das Gefühl, sie hat sämtliche Benimmregeln vergessen. Am Putzplatz ruhigen stehen bleiben, kennt sie garnicht mehr. Manchmal ist sie sogar kopflos in ihrer Aktion.

    Auch ich hoffe, dass ich meine Stute, die ich mal so kannte, dass sie mir viel Sicherheit gab, wieder die Alte wird. Ich mache mir jeden Tag einen Kopf deswegen. Ich gebe ihr natürlich die Zeit die sie braucht. Ich habe aber das Gefühlt, dass ich sie gerade auswildere und sie von mir nichts mehr wissen möchte.
    Ich werde mit ihr langsam anfangen Bodenarbeit zu machen, damit wir von der Kommunikation wieder zusammen finden und sie vom Kopf her auch was zu tun hat.

    Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt.

    31. Januar 2022 at 19:01 Reply
  • Monika Greiner

    Hallo
    Ich habe Ende November vor mein Pferd aus seiner Herde wo er seit 7 Jahren steht raus zu holen,da ich eine zu lange Strecke fahren muss um bei ihn zu sein
    2-3 Stunden hin und 2-3 zurück,ich hoffe das ich nichts falsches mache ,da er eine tolle Pferdefreundschaft zu einem anderen Wallach pflegt ,ich habe schon Angst den falschen Weg zu gehen,ich hoffe das wir dann durch mehr Zeit wieder richtig zueinander finden werden

    21. Oktober 2021 at 1:10 Reply
  • Eva

    Hallo,

    Auch ich bedanke mich für deinen ausführlichen Bericht.
    Bei mir ist es sehr ähnlich wie bei deinem Pferd nach dem Ableben seines Weidepartners habe ich nach 10 Jahren mit meinem 29 Jährigen Pensionierten den Stall gewechselt. Er ist jetzt sehr auf seine neue Partnerin fixiert und wird panisch, wenn er sie nicht mehr sieht. Er hat auch einen verminderten Appetit und umwirbt seine Dame. Wir sind jetzt eine Woche im neuen Stall und mehr als kurze longiereinheiten ist noch nicht möglich. Aber ich werde mich an deine Tipps halten und die Sache ruhig angehen lassen. Der alte Herr soll sich soviel Zeit als nötig nehmen um anzukommen.

    28. September 2021 at 20:05 Reply
  • Michaela Laufenberg

    Hallo Melanie, danke für den guten Bericht. Ich bin vor ein paar Tagen mit meinem Rentner umgezogen und er ist noch ziemlich durch den Wind. Er klebt an der Stute die bei ihm steht, er will nur Richtung Hofausgang, er ist wirklich sehr verändert. Aber ich hoffe, dass gibt sich in ein paar Wochen!
    Er lebt jetzt mit einer Stute zusammen, hat offenes Heu, eine tolle große Weide, eine eingestreute Hütte und viel Ruhe!
    Vorher lebte er in einer großen Wallachherde, war rangtief und stand ständig unter Beobachtung, durfte nicht immer ans Heu oder Wasser, ziemlich stressig, sodass er reichlich abgenommen hat.
    Ich bin täglich mehrmals bei ihm und hoffe, wir kommen irgendwann wieder zu unserem entspannten Miteinander wie vor dem Umzug!
    Beste Grüße Michaela

    31. Mai 2021 at 16:15 Reply
  • Marisa

    Vielen vielen Dank für diesen tollen Bericht! Ich habe ein neues Pferd, welches heute auch etwas wiedersetzlich war. Er mochte den Putzplatz gar nicht und ist keine Sekunde ruhig stehen geblieben. Ich war schon entmutigt und bin dann auf diesen Beitrag gestoßen. Dadurch verstehe ich mein Pferd richtig, dass es einfach Stress für ihn bedeutet an einem neuen Stall zu sein. Für mich ist das so banal, dass ich mir schon echte Sorgen gemacht habe. Ich werde ihm nun alles in kleinen Schritten zeigen, sodass er in allem eine Routine lernt.
    Grüße Marisa

    15. Mai 2021 at 20:02 Reply
    • Melanie

      Liebe Marisa,
      danke für deinen Kommentar. Es freut mich, dass mein Beitrag dir die Augen öffnen konnte und du nun noch geduldiger mit deinem Pferd in diese spannende Zeit des Stallwechsels gehen kannst! Ich wünsche dir ganz viel Ruhe und Geduld dabei!
      Liebe Grüße
      Deine Melanie

      16. Mai 2021 at 10:54 Reply
  • Melli

    Danke für die ausführlichen Informationen. Wir mussten gerade den Stall wechseln und ich befürchte, ich habe mein Pferd überfordert und zuviel auf einmal gewollt. Ich habe mich gewundert, warum er so widersetzlich war, auf dem neuen Platz nicht traben wollte und mich heute sogar abgebuckelt hat. Osteopathin/Sattlerin war gerade da, alles bestens. Also wird es „nur“ am Stress liegen und ich muss ihm Zeit geben. Dass ein Wechsel für Pferde so anstrengend ist, war mir nicht bewusst.

    21. April 2021 at 18:26 Reply
    • Melanie

      Liebe Melli, ja, leider werden der Stallwechsel und die Eingewöhnungszeit meist stark unterschätzt. Pferde sind Gewohnheitstiere, und jetzt gibt es im neuen Stall viel Neues, an das sich dein Pferd gewöhnen muss. Aber du scheinst eine sehr verständnisvolle und geduldige Pferdebesitzerin zu sein, deshalb wird sich dein Pferd sicherlich bald einleben und wieder „der Alte“ werden! Ganz viel Erfolg und Geduld beim Eingewöhnen wünsche ich dir!

      22. April 2021 at 10:42 Reply
  • Daniela

    Dein Bericht ist sehr ermutigend und hilfreich. Bei mir ist ein neues Pferd eingezogen. Zwei sind bereits da. Der Neue ist von Boxenhaltung zu mir Offenstallhaltung und für alle ist es stressig aber auch wohl schön. Dankeschön für diesen tollen Bericht. Ich bin zuversichtlich

    3. März 2021 at 18:40 Reply
    • Melanie

      Liebe Daniela, Eingewöhnung und Stallwechsel ist für alle Beteiligten immer sehr spannend und nervenaufreibend, aber auf jeden Fall zu schaffen mit Ruhe und Geduld. Ich wünsche dir genau das! Liebe Grüße Melanie

      3. März 2021 at 19:37 Reply
  • Melanie

    Hast du noch weitere Tipps für den Stallwechsel? Ich freue mich auf deinen Kommentar!

    11. August 2020 at 11:20 Reply
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