Kopfscheues Pferd: eine sensible Angelegenheit
Mögliche Ursachen für ein kopfscheues Pferd
Mögliche Ursachen für ein kopfscheues Pferd können sein:
- Verletzungen an den Ohren oder am Genick
- Verspannungen am Genick oder am Kiefergelenk/Zungenbein
- Entzündungen in den Ohren (Insektenstiche, Milbenbefall etc.)
- Lichtempfindlichkeit (vor allem bei Pferden, die auch an Headshaking leiden)
- Überempfindlichkeit gegen Insekten
- Unsachgemäße frühere Behandlung beim Aufhalftern/Aufzäumen
- Unpassendes Halfter: zu eng, zu weit
- Unfall beim Anbinden: Pferd hängt sich im Strick „auf“: Folge können irreparable Schädigungen am Genick sein
- Unpassendes Zaumzeug: zu eng geschnallte Backenriemen, zu enges, unpassendes Genickstück, drückender Stirnriemen etc.
- Unachtsames Aufzäumen, bei dem das Trensenstück dem Pferd unangenehm gegen die Zähne schlägt
Wichtige Details: Ausrüstung für kopfscheue Pferde
Das Halfter
Das Halfter für kopfscheue Pferde hat am besten eine Schnalle am Genickstück, an der es geöffnet werden kann. So kann vermieden werden, dass das Halfter dem Pferd über die Ohren gezogen werden muss (vgl. Abbildung links).
Das Zaumzeug
Da das Zaumzeug am senibelsten Körperteil des Pferdes angelegt wird, sind eine absolut passgenaue Form, hochwertiges Material und gute Verarbeitung ein Muss.
Das alte Zaumzeug vom ersten Pferd für das nächste zu verwenden, ist nicht unbedingt zielführend. Die Anatomie eines Pferdekopfes ist sehr individuell. So sollte auch das Zaumzeug individuell angepasst sein. Das anatomisch geschnittene Genickstück kann dem einen Pferd perfekt passen, dem anderen aber an der Ohrmuschel drücken. Der Nasenriemen liegt bei einem Pferd perfekt, dem anderen drückt er aufs Jochbein.
Ich bin mittlerweile Fan von barocken Trensen: Hier ist ohne viel Schnickschnack alles an seiner Stelle. Der Vorteil von barocken Trensen: Es gibt kein extra Lederstück für die Verschnallung des Nasenriemens. Der wird nämlich durch zwei Schlaufen oberhalb des Trensenrings eingefädelt und kann links und rechts verschnallt werden. So ist weniger Leder am Pferdekopf, was sensible Pferde sehr gerne mögen.
Ob die neuen Zäume ohne Kehlriemen, die jetzt am Markt sind, hilfreich sind und auch beim kopfscheuen, kopfschüttelnden Pferden am Kopf bleiben, weiß ich leider nicht 😉
Ganz wichtig und wird oft vergessen: Der Stirnriemen!
Der sitzt nämlich meist viel zu eng und drückt dem Pferd seitlich auf den Knochen oberhalb des Auges, was sehr unangenehm sein kann! Bitte den Stirnriemen immer kontrollieren, ob er gerade am Pferdekopf liegt, genauso wie der Nasenriemen, der zwei Fingerbreit!!! (nicht 2 Finger nebeneinander!) locker verschnallt sein sollte.
Weitere Details, auf die du beim Zäumen, aber auch Satteln und Anbinden achten solltest, kannst du hier nachlesen: 5 Tipps: Pferde achtsam zäumen und satteln
Das Gebiss
Die Passform des Gebisses prüft am besten ein Pferdezahnarzt/Dentist. Er kann genau überprüfen, ob das Gebiss von Form und Breite her in das entsprechende Pferdemaul passt. Viel zu oft haben Pferde viel zu dicke Trensen im Maul, die im zarten Mäulchen gar keinen Platz haben! Oft sind Gebisse auch viel zu lang, sodass unnötig viel Druck auf die Maulspalte ausgeübt wird.
Wenn ein kopfscheues Pferd bereits beim Anblick des Zaumzeugs samt Gebiss die Flucht ergreift und den Kopf hochreißt, sollte unbedingt die Passform des Gebisses und auch in Folge die Zähne selbst kontrolliert werden!
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Hilfe bei einem kopfscheuen Pferd
1. Schritt: Kopf senken
2. Schritt: Abstreichen des Halses in kreisenden Bewegungen
Ja, du hast richtig gehört! Wenn dein Pferd den Kopf weiter unten trägt und ruhig steht, gehst du als erstes NICHT an den Kopf des Pferdes, sondern an den Hals!
Warum?
Dein Pferd soll das Kopfsenken mit etwas Angenehmen verbinden und das ist zum aktuellen Zeitpunkt, als es noch kopfscheu ist, definitiv NICHT die Berührung am Kopf!
Streiche für diesen Schritt in kreisenden Bewegungen den Hals deines Pferdes entlang. Beginne an der Schulter und führe deine Hände mit leicht gespreizten und sanft aufgestellten Finger in großen Kreisen immer weiter Richtung Genick. Sobald dein Pferd negativ reagiert und den Kopf wieder hochnimmt, lässt du es den Kopf erneut senken und beginnst mit deinen Kreisen wieder hinten an der Schulter. So arbeitest du dich vor, bis du mit deinen Kreisen am Genick angekommen bist, ohne dass dein Pferd den Kopf hochgenommen hat.
3. Schritt: Abstreichen des Kopfes mit dem Handrücken
4. Schritt: Schopfhaare gleiten
Sobald das Pferd Berührungen mit dem Handrücken akzeptiert, kannst du die Schopfhaare fassen.
Das Schopfhaare-Gleiten finden Pferde genauso angenehm wie auch das Mähnenhaare-Gleiten. Du kannst es dir vorstellen wie eine angenehme Kopfmassage bei deinem Lieblingsfriseur – aaaaaah! 😉
Nimm dazu den Schopf nah am Ansatz und lass die Haare langsam an der Stirn entlang nach unten durch deine Finger gleiten. Du kannst auch den gesamten Schopf nah am Ansatz nehmen und ihn sanft kreisen. Das stellt zudem eine angenehme Verbindung zum Genick und dem Rest der Wirbelsäule her. Eine meiner Lieblingskörperübungen vor dem Reiten am Putzplatz! #weilgutesreitenamputzplatzbeginnt
Pferde lieben diese besänftigende Übung für mehr Körperbewusstsein. Die meisten Pferde lassen nach wenigen Wiederholungen entspannt den Kopf fallen und schließen die Augen …
Weitere angenehme Übungen für ein entspanntes Pferd vor dem Reiten findest du in diesem Blogbeitrag: Gesunde Pferde durch Tellington TTouch
5. Schritt: Ohren ausstreichen
Wenn dein Pferd bei Schritt 4 entspannen kann, bist du bereit für Schritt 5 und somit den letzten Schritt, den du machen kannst, um deinem kopfscheuen Pferd zu helfen: das Ohrenausstreichen!
Wenn Pferde positive Erfahrungen mit uns Menschen gemacht haben, genießen sie meist nach kürzester Zeit das Ausstreichen der Ohren. Manche mögen es lieber zart und vorsichtig, andere wiederum lieben es, wenn man ihnen die Ohren langzieht – im wahrsten Sinne des Wortes 😉
Zuerst beginnst du nun die Ohrmuschel deines Pferdes wieder mit dem Handrücken vorsichtig vom Ohransatz bis zur Ohrspitze zu streichen. Am Anfang ist es für das Pferd am ehesten zu akzeptieren, wenn du die Ohren zurück an das Genick Richtung Hals streichst. Das ist eine natürliche Bewegung (beim Anlegen der Ohren) und erzeugt weniger Gegenwehr, als wenn du die Ohren so wie unten auf dem Foto gleich seitlich ausstreichst.
Akzeptiert dein Pferd das Ausstreichen mit der Handrückseite, kannst du langsam dazu übergehen, die Ohren vom Ohransatz bis zur Ohrspitze auszustreichen. Vermeide am Anfang noch, deine Finger dabei in die Ohrmuschel hineingleiten zu lassen. Das ist für viele Pferde noch zu befremdlich.
Wenn sie das Ohrenausstreichen aber mal gewohnt sind und ihre Kopfscheue abgelegt haben, genießen fast alle Pferde das Ohrenausstreichen. Zuallerletzt kannst du das Ohrenausstreichen mit dem Berühren der Ohrinnenseite und auch dem seitlichen Ausstreichen bis in die waagerechte Position des Ohres zum Boden kombinieren (vgl. Bild unten). Ich benutze dafür immer meinen Daumen, der beim Ausstreichen bis zur Ohrspitze die innere Ohrmuschel entlanggleitet.
Am Ohr sitzen enorm viele Akupunkturpunkte (u. a. der Dreifacherwärmer und der Schockpunkt an der Ohrspitze), sodass du deinem Pferd mit dem Ohrausstreichen auch in körperlicher Hinsicht auf jeden Fall etwas Gutes tust!
Ein schönes Video, in dem ich das Ohrenausstreichen genauer zeige, findest du hier: Ohren TTouch bei Pferden
Das Wichtigste überhaupt
Das Wichtigste im Training mit einem kopfscheuen Pferd ist - und das sollte eigentlich nicht extra erwähnt werden müssen - Geduld, viel Liebe und Achtsamkeit. Wenn Pferde bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben, sind Ungeduld sowie hektische und grobe Bewegungen und Berührungen fehl am Platz und verschlimmern die Reaktionen des Pferdes nur noch mehr. Auch wenn es schwer ist und man schnell mal die Geduld verliert: Dann lieber das Pferd in Ruhe lassen und am nächsten Tag mit doppelt so viel Geduld die fünf Schritte oben nochmals durcharbeiten 😉
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2 Comments
Ayleen
Super Hinweise, muss ich bei meinem Ex-Schulpferd mal ausprobieren. Er mag das Auftrensen nicht sonderlich und anfassen am Kopf lässt er eher ungern zu. Ich vermute eine Kombination aus verspanntem Genick, von Reitschülern häufig zu eng verschnallte Trense und evtl. schlechten Erfahrungen bei seiner Ausbildung in Spanien (seine Nase sieht aus als hätte jemand eine ungepolsterte Serreta verwendet ☹️ ). Wir mussten uns jetzt akut mit dem Thema Kopf beschäftigen, weil er keine zwei Monate nach Kauf direkt eine leichte Bindehautentzündung hatte und mehrfach täglich Salbe in beide Augen bekommen musste. Mit viel Leckerli lässt er es zum Glück halbwegs zu, aber an den allgemeinen Thema anfassen bleibe ich dran, damit sowas zukünftig leichter wäre (wenn auch hoffentlich nicht nötig). Er ist leider allgemein kein Schmusetier und toleriert anfassen eher als es zu genießen, eine Lieblingskraulstelle habe ich auch noch nicht gefunden. Aber das wird hoffentlich noch… 😅
29. September 2020 at 22:36Melanie
Dank dir, Ayleen, für deinen Kommentar! Eine Lieblingskraulstelle zu finden, hilft auch schon sehr weiter.
30. September 2020 at 13:40Beliebte Stellen sind ja direkt am oder kurz vor dem Widerrist am Hals und dann der „Sweet Spot“, so ca. 10 cm hinter dem Genick 😉
Probier mal aus!
Liebe Grüße
Melanie